Ein Steppennationalpark mitten in Europa – gemeinsam errichtet von Österreich und Ungarn – zeigt, dass die Natur keine Grenzen kennt.
Sein Ziel ist die langfristige Sicherung der Lebensräume für die vielfältige Vogel- und Pflanzenwelt am Übergang vom Alpinen in den Euro-Asiatischen Raum.
Die Einbindung großer Kulturlandschaftsflächen aus Privatbesitz hat dafür die Basis geschaffen.
Vielfalt zwischen Alpen und Puszta
Wasser, wogende Schilfflächen, weitläufige Wiesen mit flachen Sodalacken bilden den Nationalpark Neusiedler See – Seewinkel.
Das pannonische Klima mit seiner langen Vegetationsperiode und die Lage zwischen Alpen und Puszta, gestalten die Pflanzenstandorte: Trockenrasen mosaikartig umgeben von Nassflächen und Salzwiesen.
In der Tierwelt sind es es vor allem Vögel, die den Nationalpark mit Leben erfüllen: Wiesenlimikolen, Gänse, Reiher, Störche, Löffler und Greifvögel.
Das bei Besuchern beliebteste Säugetier ist das possierliche Ziesel auf kurzrasigen Hutweiden.
Aus allen Himmelsrichtungen
Im internationalen Vogelzug nehmen große Teile des Nationalpark Neusiedler See – Seewinkel eine wichtige Stellung ein. Wiesen und Wasserflächen sind Rastplätze
und Überwinterungsgebiete für viele Zugvögel. Europaweite Forschungsprogramme über bedrohte Vogelarten nehmen Bezug auf Untersuchungsergebnisse aus dem Seewinkel.
Durchziehende Watvögel, Enten und vor allem zehntausende Gänse machen den Herbst und auch den Frühling zu einem Erlebnis, nicht nur für Ornithologen.
Einer der weltweit wohl gefährdetsten Vogelarten, der Großtrappe, wird in der Nationalparkarbeit viel Beachtung zuteil.
Natur für den Menschen schaffen
Ein Nationalpark hat primär die Aufgabe, die natürlichen Abläufe in der Natur zu sichern. In den Bewahrungszonen soll aber dem Menschen eine kontrollierte Nutzung zur Bildung und Erholung ermöglicht werden.
Menschen, die in der Region leben, Urlaubs- oder Tagesgäste: als Gegenleistung für ein selten gewordenes Naturerlebnis wird vor allen Rücksicht auf die Geschöpfe der Natur verlangt.
Entsprechendes Verhalten und die Lenkung der Besucher können dazu beitragen – Naturschutz durch Aussperren des Menschen ist ein Widerspruch in sich.
Natur braucht Heimat, aber der Mensch darf seine Heimat in der Natur nicht verlieren.
Wissen schafft die Basis
Ursprüngliche Naturlandschaft und aus extensiver Nutzung entstandene Kulturlandschaft bieten einer europaweit unvergleichlichen Vielfalt an Tier- und Pflanzenarten Heimat.
Durch das Zusammentreffen mehrerer Klimazonen finden wir Vertreter aus den Alpen genauso wie solche aus der Mittelmeerzone und aus Zentralasien.
Für die Wissenschaft ist das Nationalparkgebiet schon längst ein Freilandlabor und Forschungsschwerpunkt geworden.
Die Erhaltung der Lebensraumqualität und damit der Kulturlandschaft- verlangt ein kontinuierliches, sanftes Nutzen, wobei die Jahrhunderte währende Tradition der Viehwirtschaft des Seewinkels den Rahmen vorgibt.
Zur gezielten Verbesserung dieser Arbeiten tragen die Forschungsergebnisse bei.
Von der Wissenschaft über die Politik in die Bevölkerung
Ein Nationalpark am Neusiedlersee, im Seewinkel, war jahrzehntelang der Wunsch von Naturschützern und Wissenschaftern.
Erst 1987 nahm er mit der Einsetzung einer österreichischen-ungarischen Planungskommission konkrete Formen an.
Grenzüberschreitend, damals noch über den Eisernen Vorhang und unterschiedliche Gesellschaftsformen hinweg, sollte er über die Naturschutzfunktion hinaus ein Friedenssignal sein.
Die Anerkennung des Nationalparks durch die IUCN wurde seit Beginn der Planungen angestrebt.
Fünf Jahre dauerten die Verhandlungen mit den beteiligten Grundeigentümern- dann waren die Verträge soweit gediehen, dass der Burgenländische Landtag am 12. November 1992 das Nationalparkgesetz beschließen konnte.
Kulturlandschaft der Natur zurückgeben
Zentrales Anliegen eines Nationalparks ist die Erhaltung einer Naturlandschaft, in der keinerlei menschliche Nutzungen mehr stattfinden und die Natur in ihrer Dynamik sich selbst überlassen wird.
Im Nationalpark Neusiedler See – Seewinkel ist dies der Südteil des Neusiedler Sees mit den angrenzenden Verlandungsbereichen im Ausmaß von rund 4.000 Hektar.
Die dem Menschen auf bestehenden Wegen zugänglichen Flächen liegen in den fünf Bewahrungszonen.
Diese sind geprägt durch die “Lacken” (kleine, salzhaltige, trockenfallende Seen) mit ihren Schilfflächen und durch Wiesen.
Ihr Aussehen und die Vielfalt der Pflanzen-Tierarten verdanken die Wiesen einer jahrhundertelangen sanften Nutzung durch Beweidung und Abmähen.